"How-to" Rocking Houston

Notizen eines USA-Novizen
Mo, 09.12.2002

 

 


Golden Gate Bridge

 

 


 

 


Frisco von Alcatraz aus gesehen

 

 


 

 


 

 


Sea Lions - Gammeln am Pier 39

 

 


 

 


Transamerica Pyramid

Mein letzter Vorlesungstag. Höchste Zeit für eine neue, kleine, aber feine Lästerstunde. Das waren sie also heute, die letzten Vorlesungen. Zu Beginn war ich etwas schlaftrunken, weil sich der eine von den Chefs gedacht hat, er haut uns kurzfristig noch einmal eine Hausaufgabe vor den Latz, die wir heute einreichen durften. Am letzten Vorlesungstag. Wenige Tage vor Beginn der Prüfungsphase.

In den Regularien habe ich folgende Passage gefunden: "In recognition of students' needs to prepare for final examinations, it is contrary to campus policy to assign previously unscheduled work in the form of tests, papers, or reports during the 14 calendar days prior to the examination period [...]"

Naja, egal. Regularien interessieren hier eigentlich ohnehin nur, wenn es darum geht, den Studenten Geld aus der Tasche zu ziehen. Also Schwamm drüber.

Letzter Tag. Das bedeutet auch Eingrenzungen für die anstehenden "finals". Unser König, der Mann mit den ausgefeilten Hausaufgaben (s.o.), bemerkte dann bei 19 von 20 besprochenen Themen, "ja, das sollten wir uns ansehen". Diese Form der "Eingrenzung" sorgte dann selbst bei den sonst so ernsten Kommilitonen für den einen oder anderen Lacher. Ausserdem kommen auch Sachen in der Prüfung vor, die wir nicht besprochen haben, aber die so allgemeingültig sind, dass sie ohnehin klar sind. Aha. Wenn dem so ist, warum will er sie dann abfragen?

Auch die anderen Veranstaltungen, mitsamt ihren Reviews bringen nicht wirklich grosse Einsichten, was mich in einer Woche erwarten wird.

Meine allerletzte Veranstaltung geht im Trubel kantonesischer Wortfetzen unter. Keimt vielleicht doch so etwas wie Sentimentalität ob der Tatsache, dass es das jetzt war, auf? Nein! Stattdessen entschloss ich mich lieber schnell das Weite zu suchen und mich in den nächsten Regenguss nach draussen zu begeben.

Wie so oft am späten Montagnachmittag lenkten mich meine Füsse in den University Centre. Essen fassen. Schon von Weitem ist das Unfassbare zu erkennen: Mein Magen wird von Chick-Fil-A, der Trattoria und all den anderen Essenstheken durch grosse Absperrgitter getrennt. Haaallo? Geht's noch?

Ein kleiner Zettel an der Wand erhascht meine Aufmerksamkeit. Öffnungszeiten ab dem 9.12. steht da drauf. Deutlich verkürzt! Ein voller Magen studiert nicht gern, oder welches Motto haben wir uns da ausgedacht? Während der Klausurenphase will also die Essenaufnahme weitaus umsichtiger geplant werden. Und zur Einstimmung haben sich die Nahrungsdealer gedacht, fangen wir schon mal am letzten Vorlesungstag mit der Diät an. Rollläden runter. Toll!

So schlimm ist es andererseits auch nicht, ich kann das Zeug ohnehin nicht mehr sehen. Ich vermute, ich werde in Deutschland auf Jahre hinaus Fast-Food-Läden meiden. Und Softdrinks sowieso. Die sind die Wurzel allen Übels. Wenngleich ich bemerken muss, dass sie ausser Magenschmerzen nach übermässigem Genuss und weggeätzten Zähnen auch positives bewirken können.

Gestern habe ich bei mir im Zimmer einen leeren Jumbobecher Coke auf dem Fussboden stehen lassen. Hach, was hatte ich da heute für eine lustige Versammlung drin. Das Anheben des Plastikdeckels gab den Blick frei auf ein fröhliches "Social Gathering" meiner lieben Ameisenfreunde. Kakerlaken waren gestern, Ameisen sind in. Vielleicht sogar gesponsort und extra ausgesetzt von der Uni, zur Überbrückung eventueller Nahrungsengpässe? Ich mein, die letzten Tage hat hier fast eine dreistellige Zahl von Ameisen in meinem Zimmer ihr Leben gelassen (in Texas ist die Todesstrafe zugelassen). Das reicht langsam für ein Ragout...

Übrigens nichts gegen "mal eine" Ameise. Ganz natürlich, dass - wenn alle Türen über mehr oder grosse Spalte verfügen - mal was ins Zimmer läuft, aber seit einer Woche nimmt es wirklich überhand. Seit dem explosionsartigen Auftreten einer Kolonie in unserem Badezimmer und dem anschliessenden Vergasen durch einen Caretaker, gefällt es den schwarzen Insekten wohl in unserem stillen Örtchen nicht mehr so. Bei mir im Zimmer wurde noch nicht gesprüht, sehen sie sich also da mal um. Trotzdem, lieber die Ameise im Nasenloch, als die Kakerlake auf der Hand.

Grausame Realität, eben noch in San Francisco, Sonnenschein in Kalifornien. Eine Woche später, wieder in Houston, hat mich der harte texanische Alltag wieder. Da ich es aber die letzten Tage versäumt habe, etwas über meine Zeit in Nordkalifornien, vor allem in San Francisco zu schreiben, gibt es anbei aber zumindest einmal die ersten Fotos. Die Woche dort war einfach recht gelungen. Wie schon an anderer Stelle in diesem Tagebuch angerissen - da fällt es einem einfach schwerer, etwas drüber zu schreiben...

...ausser vielleicht der Tatsache, dass dort die Stadt Houston auch keinen besonders prickelnden Ruf hat und man mir Respekt zollt, dass ich hier trotz des merkbaren Texas-Slangs überlebe. Wenngleich ich mal sagen muss, dass ich die Aussprache hier im Allgemeinen keineswegs als schwer verständlich erachte. Klar, hier und da steht man immer mal wieder mit Fragezeichen über den Kopf da. Es handelt sich aber meistens um Einzelfälle, oder um Leute vermutlich niedriger sozialer Schichten, die dann mehr die Sprache der Strasse sprechen, die einen unmissverständlich mit den Schultern zucken lässt. Der Durchschnitts-Houstonian (wobei dahingestellt sein, ob der Durchschnittsbewohner überhaupt von hier kommt) lässt sich hingegen gut verstehen.

Das gilt freilich nicht für meine Kommilitonen. Der halbe Laden spricht kein vernünftiges Englisch. Ich bin ja schon nicht die grosse Fremdsprachen-Leuchte, um so mehr stelle ich immer wieder verwundert fest, wie viele hier über ein, pardon, grottenschlechtes Englisch verfügen, aber im Gegensatz zu mir nicht nur ein Semester, sondern ihr ganzes Studium in den USA absolvieren.

Jeder so wie er für richtig hält, aber es war einfach nervig, sich ständig zunächst einmal aufs ärgste zu konzentrieren, um überhaupt erstmal das Geflüster von Kommilitonen, die etwas zum Unterricht betrugen wollten (diese Aussage ist eigentlich eher eine Farce, hier will man nicht zum Unterricht, d.h. der Allgemeinheit beitragen, bei den Verhaltensmustern scheint mir eher ausschliesslich der persönliche Vorteil im Vordergrund zu stehen) akkustisch wahrzunehmen. Danach setzte dann die Ernüchterung ein - meine Ohren waren in ihrer Grösse zwar um das doppelte angewachsen, um dann doch zu erkennen, dass die wahrgenommenen Satzfragmente nur im Entfernten mit der englischen Sprache zu tun hatten.

Überflüssig zu erwähnen, dass man sich auch etwas deplatziert vorbeikommt, wenn dann auch noch Dozent und Studenten mit einem mal anfangen, miteinander chinesisch zu sprechen. So geschehen in einer Vorlesung! Sorry, da hab ich null Verständnis für. Naja, wie gesagt. Das ist Geschichte. Mein letzter Schultag geht noch einmal in die Houston-Annalen ein. Ach, so ein bisschen Wehmut setzt doch noch mal ein... ;-)

Monte Miersch

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