"How-to" Rocking Houston

Notizen eines USA-Novizen
So, 24.11.2002

 

 


Der Cheffe vorm Capitol in Austin

 

 


Sonnenuntergang auf dem Mt.Bonnell

 

 


Gospel Sunday im Stubb's

 

 


Der Fluss von Haribo.
Ausserhalb seiner Tüte

 

 


Gehen oder stehen? Hier war man sich beim Strassenverkehrsamt in Austin nicht ganz sicher...

 

 


Noch ein Ausblick vom Mt.Bonnell

 

 


Statt Silberfische im Bett, Ameisen im Bad

Ich schreib mich nächstes Semester in Austin ein!

Mit diesem kurzen, aber in seinem Inhalt doch schlagkräftigen Satz, will ich Euch diesmal über meinen Trip nach Austin, der Hauptstadt Texas, in Kenntnis setzen. Nein, Autos mit diesem Namen laufen vor Ort nicht vom Band, dafür hat einst König Georg W. der Erste sein Zepter hier geschwungen.

Natürlich werde ich nächstes Semester nicht in eben jener gut 600.000-Seelen-Gemeinde meinem Studentenleben nachgehen, nett könnte es dort aber glaube ich schon sein. Zunächst einmal ist Downtown nicht so ein Moloch aus mehr oder weniger hässlichen, in aller Eile hochgezogenen Wolkenkratzern wie in Houston, zum anderen präsentiert sich die Stadt vor allem durch den Bereich um die 6th Street als Erlebniswelt für nächtliche Streifzüge. Austin, das ist eines der Weltzentren für Musik, ein Mekka für Live-Performances und - was im amerikanischen Vergleich ganz ganz wichtig ist - die diversen Pubs, Clubs und soweiter reihen sich dicht an dicht. Hier sind nicht langwierige Autofahrten auf sich zu nehmen, hier geht man abends auf die Strasse, welche zu dieser Zeit abgesperrt ist und damit zur Fussgängerzone verwandelt wird, und kann auf kleinstem Raum zwischen zahlreichen Angeboten wählen. Leider studiere ich aber nicht hier, und so war ausser "mal schauen" nicht viel mehr drin.

Meine Geldbörse habe ich dann vor Ort auch weniger im besagten Brennpunkt verjubelt, als vielmehr für exzellentes Food. Chris, der Ami, mit dem ich den gar nicht mal so weiten Weg nach Austin (mit dem PKW etwa 3 Stunden von Houston aus) in Angriff genommen hatte, hatte für unseren Trip ein paar vorzügliche Speisestätten ausgewählt.

Da wären zunächst die Beef- und Shrimp-Fajitas nach Thai-Art im Hula Hut zu nennen. Ich bin ja ohnehin der Ansicht, dass Fajitas ins Weltkulturerbe aufgenommen gehören. Lunch der etwas anderen Art gab es besonders am Sonntag. Im Restaurant Stubb's gibt es hier einmal die Woche den Gospel Sunday (klar, ist ja auch nur einmal die Woche Sonntag). Während also in unserem Falle sieben farbige Jungs mit schwungvollen Songs den Herren priesen, schnabulierten wir derweil lecker vom Barbeque-Buffet. Ja, doch, das ging schon.

Derweil einige tausend Kilometer entfernt. Unter meiner Heimatadresse in Deutschland geht ein Schreiben des Housing Office der Uni Houston ein. Inhalt: Zu beachtende Regularien beim Auszug aus den Dorms! An Blödheit wieder kaum zu überbieten. Gut, meine Eltern waren so nett, mir das einzuscannen und zu mailen. Wäre natürlich auch nett gewesen, bei meiner Rückkehr zu erfahren, was ich beachten muss, wenn ich aus meiner Bude in Houston ausziehe. Ja, das sind sie, die Könige des Housing Office.

Aber zurück zum Geschehen in Austin. Alles in allem also zwei runde Tage. Erwähnte ich, dass ich da demnächst studieren will? Vielleicht kann ich dann auch meine ameisen-durchzogene Butze im Pumakäfig von Houston gegen das Zimmer im Omni-Hotel tauschen? Allererste Sahne! Keine fünf Minuten von der 6th Street entfernt, damit also endgenial gelegen. Feine Architektur, ein über 15 Stockwerke gehendes Atrium aus Glas und Stahl. Sehr edel anzuschauen. Leider bin ich nicht dazu gekommen den beheizten Pool auf dem Dach des 20.Stockwerkes auszutesten. Bei schöner Übersicht über das nächtliche Austin. Da könnte man es wohl aushalten. Könnte man wohl.

Das bringt mich zurück zu meiner Ameisen-Bemerkung im vorhergehenden Satz und damit auch zurück in den tristen Alltag drei Autostunden entfernt. Wir hatten die Woche hier ein kleines, wie soll man sagen, Problem. Genau genommen, war es nicht ein kleines Problem, sondern es waren ein paar hundert kleiner Probleme. Vornehmlich in unserem, dass heisst Billys und meinem Badezimmer.

Hier und da hat es ja schon einmal welche gegeben (miersch.info berichtete), aber das war dann des guten doch ein bisschen zu viel, was da vornehmlich auf einmal in unserer Badewanne los war. Die Chefs vom Housing-Dienst kamen dann auch unmittelbar, nachdem man sie gerufen hatte (immerhin, die Tatsache, dass unsere Telefone seit zehn Tagen nicht mehr funktionieren, wird ja beharrlich ignoriert).

Chemie-Keule rausgeholt. Einmal alles angesprüht (die Effizienz wage ich zu bezweifeln, schliesslich kamen die kleinen Jungs mit den sechs Beinen ja irgendwo aus der Wand) und der Hinweis, dass wir doch bitte ein paar Stunden nicht ins Bad sollten. Das Zeug wäre nicht so gesund. Soso. Fleissige Leser meiner Notizen mögen sich erinnern, dass ein dicker Spalt unter der Türe klafft. War also nur einige Frage der Zeit, also eigentlich eine Sache von wenigen Minuten, dass mir der Duft (oder war es Gestank?) auch in meinem Zimmer nicht verborgen blieb. Ich hab den besagten Raum zwischen Tür und Boden notdürftig ausgestopft, denn war einigermassen Ruhe. Und duschen kann man jetzt auch wieder.

Wenn es daheim also schon so ungemütlich ist, verbringt Student seine Zeit doch lieber in Vorlesungsräumen. Meinen Lieblingskurs montags und mittwochs nehme ich immer gerne mit. Ärgerlich, dass ich ausgerechnet in diesem meine Midterm-Klausur mit einem 70%-Ergebnis ziemlich gegen die Wand gesetzt habe. Man kann mir mangelnde Konzentration vorwerfen, aber es ist wirklich ein Genuss, dass Geschehen im Raum zu verfolgen. Warum viel Geld fürs Kino hinblättern?

Wenn Mr.M'kay, der Vortragende, wie die Feuerwehr loslegt, geht das Beobachten los. Das mit der Feuerwehr nehmt nicht zu wörtlich, er trägt das mit einem erstaunlichen Schwung vor, der sicher dazu geeignet wäre, kleine Kinder binnen Minuten in den Schlaf zu wiegen. Wer will da noch aus irgendwelchen Märchenbüchern vorlesen? Um mal wieder einen Vergleich zu bringen, erinnert mich der Stil (von den South Park-M'kay's mal abgesehen) an den etwas drögen Stil eines Lehrers in der Serie "Wunderbare Jahre". Vielleicht können sich einige daran erinneren und wissen wen ich meine. Nichtsdestotrotz, auch wenn die Einschlafgefahr höher ist, als nirgendwo anders, ist die Vorlesung gar nicht mal so übel. Muss auch mal gesagt werden.

Aufgrund der Fetzigkeit des Vorlesungsstoffes vertreibt sich also jeder im Raum irgendwie anders die Zeit. Blick nach rechts. Da sitzt ein China-Mann in der letzten Reihe. Augen zu, Mund auf, Kopf an die Wand gelehnt. Fröhliches Drauf-Los-Schnorcheln.

Und das in Rekordzeit, die Vorlesung ist gerade 15 Minuten alt. Auch der Kopf des Notebook-Chinesen bewegt sich schon gefährlich in Richtung der kleinen Tastatur vor ihm. Derweil versucht die chinesische Fraktion, die erfolgreich der Modepolizei entgangen ist (nicht, dass ich Modepapst wäre, aber die schlagen wirklich alles!), ihre Nervosität gar nicht erst zu kaschieren. Einige schaffen es ununterbrochen mit der Geschwindigkeit eines Kolibri-Flügelschlags mit ihren Füssen zu wippen. Das dabei ein nicht unbedingt leises monotones Quietschen auf dem Boden zu vernehmen ist, stört die ausführende Fraktion weniger. Ob diese Geräuschkulisse schlaffördernd oder -hemmend ist, habe ich noch nicht herausgefunden.

Die andere Möglichkeit, die Unruhe zu kanalisieren, scheint das versehentliche Herunterwerfen von allerlei Utensilien vom Schreibtisch zu sein. Es ist wirklich schier unglaublich, wie bei einigen Leuten wirklich jede, aber auch JEDE Stunde irgendetwas vom Tisch fällt. Meistens ist dies "nur" ein Stift. Aber man variiert auch. Vielleicht auch, um mich bei Laune zu halten!? Es darf also auch mal die Wasserflasche sein, die dann ungerührt einmal durch den Raum rollt. Oder auch der Taschenrechner. Natürlich nicht, ohne dass sich bei dieser Gelegenheit die Batterien verselbständigen und sich ebenfalls über das Parkett verteilen.

Was tät ich bloss ohne meine asiatisch-stämmigen Kommilitonen? ...vermutlich auch in der letzten Reihe meine über einen Zaun springenden Ameisen zählen...

Monte Miersch

< zurück weiter >