"How-to" Rocking Houston

Notizen eines USA-Novizen
Sa, 12.10.2002

 

 


Gammeln in Reinkultur

 

 


Ein Vormittag in Galveston

 

 


Stewart Beach Park

 

 


Da fliegen sie

 

 


 

 


Meilenweites Nichts

 

 


Geheimnisvolle Spuren am Strand. Ausserirdische?

Nun da ich mich langsam wieder runtergefahren habe, geht es weiter. Muss es ja auch. Montag steht die nächste Abgabe einer klitzekleinen Programmieraufgabe auf dem Plan. Prinzipiell liege ich mit dieser gut in der Zeit. Da nun aber für den heutigen Tag ausnahmsweise mal wieder beste Wetteraussichten prognostiziert wurden, würde ich dies auch gerne dahingehend nutzen, mal NICHT vor meinem Notebook zu hängen. Wer weiss, ob sich die Chance, den Strand in Angriff zu nehmen, noch einmal bietet? Der Sommer geht selbst in Texas irgendwann zur Neige.

Da der Golf von Mexiko nun auch nicht so ganz vor meiner Haustür liegt, muss ein Tagestrip einkalkuliert werden. Das heisst im Klartext für mich - die Programmierarbeit muss in irgendeine andere Zeitzone verlagert werden. Gepoft werden kann auch am Meer - ist halt mal wieder eine Nachtschicht fällig.

Lasst mal schauen, wie so ein typischer Tag eines deutschen Austauschstudenten in Houston ausschaut...

0:00 Uhr: Habe mir Freitag mehr mit meinen drei Lieblingsbeschäftigungen die Zeit vertrieben. Als da wären: Knacken, pennen und dösen. Jetzt wird es langsam Zeit, mal wieder da bei meiner Homework anzuknüpfen, wo ich vor ein paar Stunden aufgehört habe. Die Aussenbedingungen sind gut. Im Haus ist es ruhig, die Temperatur selbst mit ausgeschalteter Klimaanlage angenehm.

0:27 Uhr: Erste Erfolgserlebnisse. Programmieren geht voran. Die Hoffnung steigt, meine Aufgabe trotz geplantem Ausflug nach Galveston schaffen zu können.

0:36 Uhr: Ruhe im Haus? Vorbei. Im 1.Stock trifft sich wieder die übliche Gang. Zumindest kann ich das dem Bass entnehmen, der bis in meiner Zimmer dringt. Erzählt mir nix von Ohrenstöpseln! Die helfen nicht gegen die Vibrationen, die ich über meine Füsse wahrnehme!! Das Programm habe ich hier alle zwei, drei Tage. Bevorzugt nachts um halb vier. Dafür muss ich sagen, sind die Jungs heute richtig früh dran. Sehr löblich!

01:55 Uhr: Aufgabe im 1.Stock. Stille. Ruhe vor dem Sturm? Halbzeittee? Nein, die Gang scheint ihre Versammlung wirklich schon aufgelöst zu haben. Vielleicht war der Antritt ins Wochenende zu schnell und sie mussten alle schon betrunken aufgeben. Mir soll's recht sein.

03:34 Uhr: Mal eben zum Quickie-Mart der Uni gehen. Der hat wenigstens 24 Stunden auf und ist ganz in meiner Nähe. Wie in jedem anderen Laden um diese Zeit tut hier ein Inder seinen Dienst. Mein Ziel: Cola-Versorgung sicherstellen, um die Augen aufzubehalten. Die Nacht ist ja noch jung. Dann der Schock - die grossen Flaschen sind aus. Nun denn, müssen die Halbliter-Dinger herhalten. Macht nix, sind ja nur Apothekenpreise.

05:45 Uhr: Verflixte Falle! Bin doch zu müde. Na gut, doch mal kurz hinlegen. Wecker auf 7 gestellt.

06:20 Uhr: Ich wird wahnsinnig. Ich müde, dammich noch mal. Warum kann ich dann nicht einschlafen??

06:45 Uhr: Egal... dann kann ich jetzt auch schon mal bei Greyhound anrufen und fragen wann so die Busse nach Galveston fahren. Wieviele gibt's? Zwei?? Wau, doch so viele. Einer nachmittags und einer morgens um halb acht.... Bingo!!

06:50 Uhr: 5 Minuten später alles gepackt. Schaff ich das noch?

07:04 Uhr: Ich warte an der Bushaltestelle. Nervöses an Fingern knabbern. Kein Bus in Sicht. Die Hoffnung schwindet, den Greyhound noch zu erwischen. Zumal die letzten 10 Minuten vor Abfahrt eigentlich keine Tickets mehr verkauft werden. Doch da, in der Ferne taucht ein Metro-Bus aus dem Grau der Morgendämmerung auf.

07:20 Uhr: Mit Ach und Krach die Greyhound-Station erreicht. Jetzt erstmal gepflegtes Schlange stehen vor dem Kartenverkaufsschalter. Wir haben ja Zeit! Derweil die Durchsage "Last Call" für den Bus nach Galveston. Die 10-Minuten-Regelung hat die Frau am Schalter dann mal beiseite gelassen, dafür hab ich auf meinen Studentadvantage-Discount verzichtet. 30 Dollar 75 für den Roundtrip. Galveston ist so geschätze 80 Kilometer von Houston entfernt. Stolze Summe für die Distanz. Sehr stolze Summe. Ich bin für die Einführung der Fernsehserie "Nepper, Schlepper, Kerrville Bus Company". Letztere ist hier der Carrier für Greyhound für die besagte Strecke.

07:29 Uhr: Monte im Bus.

07:42 Uhr: Mit 12 (in Worten zwölf) Minuten Verspätung legt der Chef ab.

08:50 Uhr: Ankunft in Galveston, genaugenommen in der 25.Strasse. Laut meinem "Lonely Planet"-Reiseführer ist der Bereich westlich dieser Strasse Ghetto. Ich weiss jetzt nicht, ob sie da die Himmelsrichtungen verwechselt haben, aber natürlich lenkte ich meine Schritte gen Osten und unter Nobel-Hobel-High-Society versteh ich was anderes. Vom Grundsatz her zwar viele schöne Häuser, aber auch sehr heruntergekommen und zerfallen.

09:15 Uhr: Auf der achtzehnten kommt mir ein Typ mit Kettensäge in der Hand entgegen! Kein Witz!! Erinnerungen an filmische Machwerke werden wach. War da nicht mal was mit "Texas"? Und mit "Massaker"? Ein schneller Blick - keine Kameras in der Nähe. Irgendwie wirkte das ganze nicht unbedingt so wie ein Film-Set. Deswegen bog ich spontan mal in die nächste Strasse ab.

11:00 Uhr: Ich hole mein Badetuch heraus, um es am East Beach von Galveston Island auszubreiten. Wurde auch mal Zeit. Wie kann eine 60.000-Seelen-Gemeinde bloss so weitläufig sein? Über den gesamten Tag war ich in Galveston so ca. 20 flockige Kilometer zu Fuss unterwegs (um schon mal ein bisschen vorzugreifen).

11:01 Uhr: Jetzt endlich Ruhe. Der Strand ist nicht besonders schön. Wie soll ich sagen, der Golf IV von Mexiko entpuppt sich eher als Zweier. Aber egal, das Wetter stimmt und... es ist völlig menschenleer. Weit und breit kein Touri. Ein oder zwei Kilometer weiter angeln ein paar Leute.

11:15 Uhr: Es ist ruhig... ja.... bis auf das ständige Gesumme und Gebrumme um mich herum. Die Fliegen oder weiss-nich-noch-was machen mich wahnsinnig. Wie das sein muss, hören die Fluggeräusche natürlich immer in unmittelbarer Nähe zu meinen Ohren auf.

12:30 Uhr: Entweder ich habe mich an die Geräuschkulisse gewöhnt oder meine fliegenden Freunde haben den toten Fisch, der ein paar Meter weiter liegt, entdeckt. Jetzt wird gegammelt!

Zeitlos Sonne. Irgendwas um die 30 Grad!? Passt!

16:45 Uhr: Soviel zum Thema Strand, aber gegessen werden muss ja auch mal. Eigentlich waren in meinem Guide auch ganz gute Restaurant-Empfehlungen, aber solange konnt ich nicht mehr warten. Die erstbeste Fast-Food-Lokalität wurde überfallen.

17:15 Uhr: Der kulturelle Teil des Tages. Auf meinem Rückweg nahm ich mir den historischen Distrikt und die Hafengegend vor. Das sah doch schon wesentlich besser aus als die Route bei der Anreise. Sehr viele schöne alte Gebäude, gut in Schuss gehalten. Nichts überragendes, aber doch ganz nett, um es sich mal eben anzuschauen. Man fühlt sich 100 Jahre in der Zeit zurückversetzt.

19:05 Uhr: Der Käpt'n des Kerrville Bus legt mit viertelstündiger Verspätung ab.

20.33 Uhr: Eine ein paar Meter längere Route aus der Greyhound-Station in Houston ist von Erfolg gekrönt. Diesmal keine kaputte Typen, Leute mit Papiertüten, Taxifahrer oder Inhaber mindestens zweier Einkaufswagen. Nur irgendeine Figur ruft mir kurz was hinterher - das war's. Einfach stressfrei. Schön, geht doch.

20:36 Uhr: Die Buslinien fahren in aller Regel so alle 30 Minuten. In direkter Nähe zum Greyhound verkehren deren zwei Linien zur UH. Wer jetzt anfängt, die durchschnittliche Wartezeit mit der simplen Rechnung 30/2 zu starten, sei gleich gebremst. Natürlich fahren die Linien meistens etwa zeitgleich. Umso schöner, das just in dem Moment, in dem ich die Busstation erreiche, "meine" Nr.30 vorfährt. Ein Gedicht! God bless you America!

21:30 Uhr: Sonnenbrand-Check! Ich habe Glück gehabt, zum Glück ist nur eine Stelle betroffen - mein Körper.

PS: Ich weiss, in Deutschland sind Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt vorherrschend. Man erzählt sich so, dass es in Berlin sogar Schnee gegeben haben soll. Maik, da lachen wir mal kurz, was?

Monte Miersch

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