"How-to" Rocking Houston

Notizen eines USA-Novizen
Fr, 27.9.2002

 

 


Schön aufpassen, m'kay?
(Mr.Mackey, SP Elementary School)

 

 


Zeitvertreib - oder
"Das Klicken aus der Hölle"

Die Leiden des jungen Monte (im Hörsaal)

Eigentlich wollte ich endlich mal in klassischer Reiseführer-Manier etwas über Houston schreiben. Aber nun brennen mir doch wieder ein paar Dinge des täglichen Studenten-Lebens so unter den Fingern, dass ich diese vorher loswerden möchte. Alle Houston-Interessierten seien also noch ein paar Tage vertröstet.

Hier in Houston ist mittlerweile ein wenig Alltag eingekehrt. Keine Kakerlaken mehr (oder ich schlafe nunmehr so fest, dass ich es nicht bemerke, wenn sie über meine Körper laufen), annehmbare Temperaturen, Vorlesungen. Ja, schluss mit lustig. Es wird ernst, in meinen Kursen wurden die ersten Assessments ausgeteilt.

Mein persönlicher Favorit ist ja zur Zeit der Kurs "Internet Computing", in dem wir - topaktuell - Perl von vorne bis hinten durchexerzieren. Folgerichtig darf ich mich allabendlich mit lustigen Sachen wie regulären Ausdrücken selber nerven. Aus Vorlesungssicht ist aber meine Abendveranstaltung über "Computer Networks" der Hauptgewinn. Damit meine ich jetzt nicht die Inhalte, sondern die Gestalten, die sich zweimal die Woche im Klassenraum einfinden.

Nun muss man wissen, dass der Lecturer ein ganz lustiger Gesell ist und gerne mal ansatzweise weitergehende Fragen in den Raum stellt. Versehen wird das ganze mit dem Hinweis, dass - wenn jemand Interesse an dem Thema haben sollte - man doch mal eine Extra-Ausarbeitung machen könnte, um ihm diese zu geben. Solche Sachen werden dann nicht mit Extrapunkten belohnt, sondern dafür werden dann Stifte oder NASA-Shirts verteilt.

Als ich dass das erste mal gehört habe, hätte ich nicht mit einer Reaktion gerechnet. Siehe da, nächste Stunde: Die Vorlesung, zunächst wird an einen ganz besonderen Studenten Dank ausgesprochen, dass er da einen so schönen Lösungsvorschlag unter der Woche eingereicht hätte. So, dafür gibt's das NASA-Shirt. Wenn die Grösse nicht passt, wird auch umgetauscht. So weit, so gut. Das ist einen Schmunzeler wert, danach geht es wieder über zur Tagesordnung.

Da sich dieses Prozedere nun aber mit schöner Regelmässigkeit fast jede Woche wiederholt, laufen die Jungs, die hier immer meinen, ihre Extra-Schleimration einzulösen zu müssen, unter dem einfachen Codenamen "die Lutscher in der dritten Reihe". Die werden eigentlich nur noch geschlagen von "den Flüsterern der ersten".

Während die erstgenannten Kommilitonen, die ihre Lösungen freilich grösstenteils aus irgendwelchen Büchern abpinnen, überwiegend indischer Abstammung sind, sind meine Freunde in der ersten Reihe aus dem Reich der Mitte. Auch wenn Chinesen gemeinhin als ruhige und höfliche Menschen bekannt sind, könnte es aus Gründen des Gemeinschaftssinnes nicht schaden, ruhig auch mal ein wenig, ein gaaanz klein wenig mehr Kohlen nachzulegen, wenn man das Wort erhebt.

Leider ist die Praxis so, dass man in der ersten Reihe so leise spricht, dass allenfalls der Dozent die Frage versteht. Der Rest des Saales geht leer aus. Ist ja auch unwahrscheinlich, dass das die anderen Studenten vielleicht auch interessieren könnte. Ja, doch, das ist schon was feines. Manchmal habe ich deswegen einen so dicken Hals, dass ich erst eine gute Viertelstunde nach Vorlesung den Raum verlassen kann, damit er bis dahin wieder soweit abgeschwollen ist, dass ich durch die Ausgangstüre passe.

Da mir das nun langsam zu blöd wurde, habe ich mir gesagt, "das kann ich auch" und habe mich nun ebenfalls mal nach Vorlesungsschluss um Klärung einiger Fragen bemüht. Natürlich nicht ohne mich ausdrücklich als Austauschstudent zu erkennen zu geben. Das kann einem ja eher nicht zum Nachteil gereichen. Motto: "Wenn ich etwas falsch mache, liegt das nicht daran, dass ich es nicht kann, sondern daran, dass ich es (sprachlich) nicht verstanden habe". Ist mir zwar irgendwie auch zuwider, aber man passt sich ja den örtlichen Gepflogenheiten an.

Noch einmal das Stichwort Vorlesung im Allgemeinen. Die laufen hier doch deutlich anders als in Deutschland ab. Kein Geschnatter aus der letzten Reihe, kein Blättern in Zeitschriften (dafür aber hier und da Surfen im Internet), kein Geläster über allzu eifrige Kommilitonen. Es herrscht Stille in der Master-Vorlesung. Angestrengt folgen viele kleine Studenten den Worten des Vortragenden. Ein Bild, was derart an deutschen Hochschulen nur extrem selten zu finden ist.

Die Kommilitonen verziehen keine Miene. Lachen scheint quasi verboten. Man könnte sagen, alle Anwesenden sind bierernst. Nur ohne Bier. Einzig der kleine chinesische Junge, ganz aussen in der letzten Reihe, schafft es - Stunde um Stunde - die Stille herzlos auseinanderzureissen.

Und zwar durch beharrliches Malträtieren seiner Maus. Es ist mir unbegreiflich, wie man anderthalb Stunden am Stück Minesweeper spielen kann. Den Fehler, mich in die Nähe zu setzen, mache ich gewiss nicht mehr. Wenn Ihr Euch vorstellen könnt, wie es ist, wenn es absolut still ist und man dann die ganze Zeit nur "klick-klick-kli-kli-klick" hört, wisst Ihr warum.

Schnitt. Die nächste Vorlesung. Später Mittwochnachmittag, irgendwo im 3.Stock des PGH-Gebäudes. Realsatire pur! Allen, denen die Serie "South Park" ein Begriff ist und auch Mr.Mackey, Lehrer der Elementary School kennen, sei gesagt: Der Kollege hier hätte gute Chancen bei einem Sound-a-like-Contest, m'kay? Das "Okay" kommt zwar nicht ganz so nasal wie im TV-Original, aber mitunter fällt es schwer, den Vorlesungsstoff zu verfolgen, so penetrant ziehen sich die "M'kay"s durch die 90 Minuten. Letztens habe ich mir mal die Mühe gemacht mitzuzählen. Heraus kam ein gesunder Schnitt von 3,5 Okays pro Minute. Das kann sich schon sehen bzw. hören lassen.

Nur das dezente Grinsen muss man unterdrücken. Sonst fällt man womöglich noch auf (s.o.).

Pardon für die momentan eingeschränkte Berichterstattung, ich muss jetzt weiterarbeiten. Wir sind ja schliesslich nicht zum Spass hier... :-)

Monte Miersch

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